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„Das Gefühl ist nicht so, wie man sich es vorgestellt hat“

Maximilian Thorwirth im Interview

Foto: Kenny Beele

von Bernd Schwickerath
Monatelang musste Maximilian Thorwirth wie nahezu alle anderen Sportler pausieren, nun meldete sich der 25 Jahre alte Langstreckenläufer des SFD 75 und des Stockheim Team Düsseldorf eindrucksvoll zurück.

Am Wochenende lief er in Wien neue persönliche Bestzeit über 5000 Meter (13:34,82 Minuten) und knackte die EM-Norm. Im Interview spricht er über seine Form, seinen Wechsel auf die 5000-Meter-Strecke und welche Probleme die Corona-Krise für ihn persönlich und die Laufszene bringt.

Herr Thorwirth, gleich im ersten Rennen nach der Pause ein Sieg, persönliche Bestzeit und die EM-Norm. Sind Sie selbst überrascht über so einen Neustart?

Maximilian Thorwirth: Man ist  vor dem ersten Rennen immer unsicher. Ich wusste, dass ich ganz gut trainiert hatte. Wir hatten in der Woche vorher noch eine Leistungsdiagnostik mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband in Leipzig. Von daher war das Ziel schon, unter 13:40 Minuten zu laufen. Und ich wusste auch, dass ich es von den Werten her drauf haben kann. Und dass es dann gleich so perfekt funktioniert, ist umso schöner.

Jetzt haben Sie natürlich das Problem: EM-Norm gelaufen, aber die EM findet nicht statt. Ist die  Norm für Sie trotzdem so etwas wie ein Meilenstein?

Thorwirth: Auf jeden Fall. Eine Norm für Erwachsenen-Meisterschaften zu laufen, war immer ein großes Ziel von mir. Es ist jetzt natürlich ein bisschen komisch, weil das Gefühl nicht so ist, wie man sich es vorgestellt hat. Irgendwie geht es fast unter, dass es eine internationale Norm ist, weil die EM nicht stattfindet. Und weil ich jetzt auch nicht die Möglichkeit hatte, mich großartig mit Eltern oder Trainern zu freuen. Aber es war auf jeden Fall das große Ziel, das ich dieses Jahr erreichen wollte. Von daher war es schon wichtig für mich.

Das andere große Ziel waren die Olympischen Spiele von Tokio. Hätten Sie das dieses Jahr schon packen können oder ist es für Sie sogar besser, dass die Spiele um ein Jahr verschoben wurden?

Thorwirth: Für mich ist es definitiv besser, dass es um ein Jahr verschoben worden ist. Dieses Jahr hätte schon sehr, sehr viel richtig laufen müssen, und es wäre nicht so wahrscheinlich gewesen. Nächstes Jahr muss immer noch viel richtig laufen, aber mit meinem neuen Niveau und der langen Pause, in der ich jetzt Zeit hatte, um noch mal an der Ausdauer zu arbeiten, ist es noch mal ein Stück weit realistischer geworden. Klar ist aber auch, dass wir mittlerweile alle froh sind, wenn Olympia überhaupt stattfindet. Aktuell weiß niemand, wie es nächstes Jahr aussieht.

Sie sind vergangenes Jahr von der 1500-Meter- auf die 5000-Meter-Strecke gewechselt. Wie groß sind die Unterschiede? Der Laie könnte ja denken: Laufen ist Laufen.

Thorwirth: Ein 1500-Meter-Rennen geht etwa 3:40 Minuten, ein 5000-Meter-Rennen um die 13:30 Minuten, das ist schon ein Unterschied. Die 5000 sind wesentlich ausdauerlastiger, die 1500 schnelligkeitslastiger. Da muss man viel Laktat bilden und damit umgehen können.

Was sprach für den Wechsel?

Thorwirth: Der langfristige Plan war immer, irgendwann mal auf den 5000 Metern zu landen. Und so etwas baut man auf, indem man über die Unterdistanz kommt, weil man im jüngeren Alter besser Schnelligkeit trainieren kann. Und die braucht man so oder so, bei den 5000 gerade am Ende. Aber bei mir hat man gesehen, dass ich von meinen Fähigkeiten und von meiner Statur her immer schon eher ein 5000-Meter-Läufer war. Letztes Jahr haben wir gemerkt, dass ich langsam an die Grenzen komme, was meine Schnelligkeit angeht. Ich habe Probleme, 800 Meter unter 1:50 Minute zu laufen, was eigentlich alle guten 1500-Meter-Läufer mehr oder weniger locker können. Dann haben wir gesagt: Ok, machen wir den Schritt auf die 5000. Mit dem Ziel, schon letztes Jahr eine 5000-Meter-Saison zu laufen, um dieses Jahr mehr Erfahrung zu haben. Gerade in Richtung EM in Paris und vielleicht sogar Olympia in Tokio.

Fernab vom rein Körperlichen: Ist es auch mental etwas anderes, vier Minuten durchzupowern oder eine knappe Viertelstunde zu laufen?

Thorwirth: Definitiv. Über 1500 bist du relativ schnell auf den letzten beiden Runden, und dann geht es um alles. Da musst du einfach zwei Runden alles ausblenden und alles geben. Das ist mental einfacher. Über 5000 musst du konstant schnell laufen. Und selbst wenn auch der zweite Kilometer sehr schnell ist, hast du noch einen weiten Weg vor dir. Als 5000-Meter-Läufer muss man lernen, genau auf der Linie „tut weh, aber geht noch“ zu laufen und nicht drüber zu gehen.

War für Sie die Corona-Zeit dann besonders bitter, weil Sie beim Taktischen und Mentalen auf der 5000 noch recht unerfahren sind?

Thorwirth: Trainingstechnisch war es für mich eher ein Vorteil, weil ich mehr an der Grundlagenausdauer arbeiten konnte ohne direkt in einen Wettkampf reingehen zu müssen. Was aber natürlich bitter ist: Ich komme aus einer sehr guten Hallensaison…

…Sie wurden über 3000 Meter Deutscher Hallen-Meister.

Thorwirth: Ich hatte das Momentum auf meiner Seite, auch was Sponsoren angeht und andere finanzielle Sachen. Und dann habe ich keine Wettkämpfe, bei denen ich mich präsentieren kann. Das ist natürlich nicht ideal. Man hat jetzt auch nicht so super viele Jahre im Leistungssport, und dieses Jahr hätte ein gutes werden können. Auch nächstes Jahr gibt es wenn überhaupt nur Olympia, die WM 2021 ist ja auf 2022 verschoben. Das ist schon bitter, wenn mitten in deiner Karriere ein oder eventuell zwei Jahre kaum oder keine internationalen Meisterschaften stattfinden, wo man sich beweisen kann.

Finanziell ist das sicher schwierig, Sie haben ja keine Mannschaft im Hintergrund, sondern müssen sich alles selbst erarbeiten.

Thorwirth: Ich starte natürlich für einen Verein, der SFD 75 und auch das Stockheim-Team Düsseldorf unterstützen mich beide gut. Aber man verdient nicht großartig Geld. Viel geht über das Engagement des Ausrüsters oder von anderen Sponsoren, die man aber erst mal selbst akquirieren muss. Bei mir war es bislang so, dass da viel Eigeninitiative drin steckt, von meiner Familie oder Freunden. Ich bin jetzt gerade erst in der Phase, in der ich hoffentlich den Sprung machen kann, dass sich das komplett ohne Eigenanteil trägt. Aber dafür muss man halt laufen können. Bei uns geht viel über Antritts- und Siegprämien. Und wenn die Läufe nicht stattfinden, ist es nicht ideal. Gerade auch die Straßenläufe, die durch die Krise auch künftig Probleme haben könnten.

Erwarten Sie die? Dieses Jahr sind so gut wie alle Volksläufe abgesagt, wird das den Laufsport insgesamt verändern?

Thorwirth: Das muss man getrennt betrachtet. Wem es auf jeden Fall weh tut, sind die Laufveranstalter. In der Ausrichterszene wird sich leider einiges zum Negativen ändern. Ich komme selbst aus einem kleineren Verein, und wir wissen, wie wichtig unser Volkslauf für unsere Vereinskasse ist. Bei uns geht es noch, weil unser Lauf erst im November gewesen wäre, da hatten wir noch nicht die Ausgaben, die wie sonst gehabt hätten. Aber ich kann mir vorstellen, dass einige Vereine, die ihre Läufe im März und April, als es richtig losging mit Corona, gehabt hätten und schon sehr viel Geld reingesteckt hatten, dass es da zu Problemen kommen kann. Wenn auch große Marathonveranstalter Einbußen haben, hat das auch Auswirkungen darauf, was die Athleten verdienen können.

Und für den Breitensport?

Thorwirth: Da sehe ich keine großartigen Probleme. Wegen Corona sind wahrscheinlich mehr Leute laufen gegangen als vorher. Vielleicht sind einige von denen ja heiß drauf, auch mal einen Volkslauf zu machen, wenn es wieder weiter geht.

Wie geht es bei Ihnen persönlich nun weiter? So ganz ist ja gar nicht klar, wie viele Wettkämpfe es in den kommenden Wochen überhaupt geben wird.

Thorwirth: Wir haben jetzt noch kein klares Ziel: die Deutschen Meisterschaften in Braunschweig am 8. und 9. August. Da hieß es lange Zeit, dass wir Läufer wegen des Kontaktverbots nicht starten dürfen. Meines Wissens nach laufen da aber gerade Gespräche. Es gibt zwei Konzepte, wie wir doch starten könnten. Was ich vom Verband oder vom Bundestrainer höre, sieht das ganz gut aus.

Was ist Ihr Ziel?

Thorwirth: Das große Ziel ist es, da eine Medaille zu gewinnen. Ich denke, dass ich in meiner jetzigen Form auch um den Titel mitlaufen kann. Ob es klappt, ist eine andere Sache. Danach werden wir gucken, wo man noch im August oder Anfang September Geld verdienen und schnell laufen kann.  Ob es ein 5000-Meter-Rennen gibt, wo ich meine Bestzeit noch ein bisschen aufstellen kann. Ich glaube nämlich schon, dass da noch ein paar Sekunden drin sind. Also jetzt die DM, dann noch mal eine schnelle 5000 laufen, dann geht es in die Pause, und dann ist die Situation in der Welt hoffentlich so, dass man 2021 vernünftig vorbereiten kann. Wir fahren ja oft in Höhentrainingslager nach Kenia, Südafrika oder die USA. Das ist gerade auch alles nicht so einfach zu planen.

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