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25 Jahre Sportwerk – Ein kluger Deal am Küchentisch

(Foto: Sportwerk)

Heute zählt das Sportwerk 900 Mitglieder, darunter 700 Kinder

Tayar Tunc ist elf Jahre alt, als ihm sein Vater einen handgeschriebenen Vertrag vorlegt: Er werde seinen Sohn immer darin unterstützen, Sport zu treiben. Im Gegenzug müsse sich allerdings der Junge bereit erklären, regelmäßig zum Training zu gehen, pünktlich und respektvoll zu sein und Ausdauer zu beweisen. „Überleg‘ dir das gut, du gehst eine hohe Verpflichtung ein.“ Tayar Tunc muss nicht lange nachdenken und unterschreibt. Keiner von beiden ahnt damals, dass der kluge Deal des Vaters letztlich den Grundstein legt für den beruflichen Weg des Elfjährigen. Natürlich dauert es noch ein paar Jahre, bis das Sportwerk seine aktuelle Form erhält. Ihren Anfang jedoch nimmt die mittlerweile 25 Jahre währende Erfolgsgeschichte im Jahr 1980, am Küchentisch der Tuncs in Derendorf.
Heute ist das Sportwerk Bundesstützpunkt für olympisches Taekwondo, Zentrum für Breiten- und Spitzensport, Physiotherapie und Talentförderer. 900 Mitglieder zählt der Verein, darunter allein 700 Mädchen und Jungen. Tunc und sein Team arbeiten mit Düsseldorfer Schulen zusammen und unterstützen die Stadt bei ihren Aktivitäten, unter anderem bei der Talentiade, der städtischen Talent-Sichtung. Seit ein paar Jahren organisiert das Sportwerk auch regelmäßig Kulturveranstaltungen. So sind Mitglieder der Kölner und Berliner Philharmoniker an der Volmerswerther Straße zugunsten der Flüchtlingshilfe aufgetreten, zuletzt war die Istanbuler Band Bajar zu Gast. Die Musiker verknüpfen gekonnt urbanen mit ethnischem Sound und ergreifen mutig das Wort gegen Diskriminierung und für die Versöhnung von Kurden und Türken.

Im Sportwerk zählt das respektvolle Miteinander
Brücken schlagen und selbstbewusst seine Haltung vertreten – das ist auch dem 49 Jahre alten Tayar Tunc zum Credo geworden und unverzichtbarer Bestandteil seiner Professionalität. „Bei uns wird nicht nur Sport gemacht“, sagt er. „Wir sind eine Gemeinschaft, in der es um ein respektvolles Miteinander geht, angemessene Umgangsformen und eine offene Kommunikation gepflegt wird.“ Wie sehr gerade junge Menschen dieser Grundlagen bedürfen, erlebt er am eigenen Leib, als er 1980 nach Deutschland kommt. Aufgewachsen ist er in Dersim, einem kurdisch geprägten Gebiet in der Türkei. „Unsere Schule war wie eine große Waldorfeinrichtung, in der wir lernten, unsere Freiheit richtig zu gebrauchen. Nicht nur zugunsten der Bildung, sondern auch im Miteinander.“ Angekommen in Düsseldorf hat er den Eindruck, in dem fremden Land gebe es niemanden, auf den er sich verlassen könne.

Sein Vater drängt indes auf Integration: „Mach Sport, wertschätze die Schule und nutze die Möglichkeiten, die dir Deutschland bietet.“ Der Sohn folgt seinem Rat, genug Ideen hat er. Und Energie. Damit diese in die richtigen Kanäle fließt, steht ihm die Mutter zur Seite. „Sie erdet mich, mit ihrer Geduld und ihrer Lebenserfahrung“, sagt Tayar Tunc. „Bis heute.“

Er entscheidet sich für Taekwondo – und bleibt dabei. Die koreanische Kampfkunst ist Grundsätzen wie Höflichkeit, Selbstdisziplin und Geduld verpflichtet, das kommt seiner Natur entgegen. Er wird sehr bald Co-Trainer und stellt fest, wie ihn Talent, Ehrgeiz und Disziplin beflügeln. „Es gibt Typen für Fußball und es gibt Typen für Taekwondo. Wie mich.“ Bereits als Jugendlicher erlangt er hohe Gürtelgrade. 1994 eröffnet er am Hermannplatz in Flingern seine eigene Sportschule, es ist das Fundament des heutigen Sportwerks.

Er startet in den Räumen eines Fitnessstudios und zählt nach nur drei Monaten 80 Mitglieder. Bald braucht er mehr Platz und wird beim Polizeisportverein (PSV) fürs Erste fündig. Dort baut er die Taekwondo-Abteilung auf, macht Düsseldorf zum Bezirksstützpunkt und bereitet alles für den Landesleistungsstützpunkt vor: Trainingszeiten, Physiotherapie, Ernährungsberatung, adäquate Räume. Eine Halle an der Erasmusstraße bietet die notwendigen Bedingungen für seine Pläne, also verlässt Tayar Tunc den PSV und zieht 1999 um.

Die Jugendförderung spielt eine große Rolle
Sieben Jahre bleibt er in der Erasmusstraße. In dieser Zeit gehen Deutsche Meister aus den eigenen Reihen hervor, die Nationalmannschaft nutzt Tuncs Know-How und die innovative Infrastruktur der Einrichtung, während der Chef bereits das nächste Ziel vor Augen hat: den Bundesstützpunkt. 2006 entdeckt er im Hinterhof an der Volmerswerther Straße 26 in Bilk die Räume eines früheren Fotogroßhandels. Ein Volltreffer. Die Lagerhallen werden aufwändig umgebaut, ein modernes Trainingszentrum entsteht, dem 2016 die erste Europameisterin Düsseldorfs erwächst.

Die Jugendförderung spielt beim Sportwerk eine große Rolle, die Trainer sind jederzeit ansprechbar. Eltern können auf Bildschirmen die sportlichen Aktivitäten ihrer Kinder verfolgen. Auf diese Weise bekunden sie ihr Interesse, ohne zu stören. „Wir können mit Sport sehr viel erreichen, aber die Familie an seiner Seite zu wissen, ist Gold wert, sagt Tayar Tunc. Sein Vater ist 2007 gestorben, den Weg des Sohnes hat er zeit seines Lebens verfolgt. „Ich glaube, ich mach‘ mich mal auf die Suche nach dem Vertrag von damals“, sagt Tayar Tunc. „Unser 25-jähriges Bestehen ist der beste Anlass dafür.“

(FK)

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