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„Der Eishockeysport wird die Epidemie noch Jahre merken“

DEG-Kapitän Alexander Barta im Interview

Foto: Birgit Häfner

von Bernd Schwickerath

Fast ein halbes Jahr ist es mittlerweile her, dass Alexander Barta Eishockey gespielt hat. Anfang März verlor die DEG in Nürnberg, die anschließenden Play-offs wurden abgesagt. Nun soll es am 13. November wieder losgehen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), aber sicher ist noch gar nichts. Im Interview spricht der 37 Jahre alte DEG-Kapitän über das lange Warten, die Folgen der Krise für den Eishockeysport, warum er bei der Gründung der Spielergewerkschaft dabei war und was er vom neuen DEG-Kader hält.

Herr Barta, wie ist die Lage?

Alexander Barta: Gut, sehr gut sogar.

Ehrlich? Sind Sie nicht langsam genervt vom ewigen Warten auf Entscheidungen?

Barta: Ja natürlich, das geht ja jetzt seit Monaten. Und irgendwie hat man das Gefühl, dass man nicht weiterkommt. Natürlich ist es nervig, sich immer zu fragen, wie es weitergeht. Aber es ist leider Gottes nicht zu ändern. Der Sommer ist ganz schön lang und zäh. Und man fragt sich irgendwann auch: Wofür mache ich das alles? Geht es überhaupt weiter? Und wenn: In was für einem Rahmen?

Also sind Sie weiter im Individualtraining?

Barta: Mit Max Kammerer trainiere ich jeden Tag von Montag bis Freitag, und wir können auch freiwillig in unserer Freizeit aufs Eis gehen, was ich noch nicht gemacht habe. Aber ich werde jetzt langsam mal die Schlittschuhe anziehen.

Nationaltorhüter Philipp Grubauer hat vor dem Neustart der NHL scherzhaft gesagt, dass er so lange nicht auf dem Eis stand, dass er gar nicht mehr weiß, wie man einen Puck fängt. Wie ist das bei Feldspielern? Kann man Schlittschuhlaufen ein Stück weit verlernen?

Barta: Um das Schlittschuhlaufen mache ich mir keine Sorgen, mehr um die Stock- und die Schusstechnik. Wenn man die Play-offs verpasst hat, ist eine Saison auch schon mal Mitte Februar vorbei, und es geht erst im August wieder los. Wir sind es also gewohnt, eine längere Sommerpause zu haben. Aber mittlerweile ist sie einfach zu lang. Man vermisst ja auch seine Mannschaftskollegen, das Zusammensein auf dem Eis und in der Kabine.

Zumal Sie ja auch gar nicht wissen, wie oft Sie das noch erleben können. Sie sind nicht mehr Mitte Zwanzig und haben nicht mehr so viele Chancen, mit der DEG Deutscher Meister zu werden. War der Saisonabbruch nach der starken Hauptrunde für Sie besonders bitter?

Barta: Natürlich war das bitter, in meinem Alter genieße ich jedes Spiel und jede Play-off-Serie umso mehr. Auf der anderen Seite sage ich mir: Wenn es wirklich nicht mehr weitergehen sollte, kann ich damit auch ganz gut leben.

Warum?

Barta: Weil ich glaube, dass der Eishockeysport die Epidemie noch Jahre merken wird. Deswegen habe ich sogar einen Vorteil, weil ich etwas älter bin als ein 25-Jähriger, der noch zehn Jahre vor sich hat. Man weiß ja gar nicht, wie es sich entwickelt, ob man in den nächsten Jahren überhaupt mal wieder vor 15.000 Zuschauern spielen kann. In meinen Augen ist ja auch noch nicht gesagt, dass, wenn es wieder los geht, sofort alle gern in die Hallen kommen. Und ob man dann wieder die Atmosphäre und die Emotionen erleben kann, die den Eishockeysport ausmachen.

Das Eishockey wird sich also verändern?

Barta: Absolut. Finanziell wird die Pandemie die Vereine noch über Jahre begleiten – egal, ob wir jetzt loslegen oder nicht. Ich glaube, die Gehälter werden runtergehen. Es hatte für mich natürlich sportliche Nachteile, dass die Play-offs abgesagt worden sind, aber es hat auch Vorteile, dass ich schon 37 bin.

Wo Sie die Gehälter ansprechen: Auch die DEG-Spieler haben zugestimmt, dass 25 Prozent zunächst eingefroren werden. Geräuschlos lief die Diskussion um den „freiwilligen Verzicht“ in der Liga aber nicht ab. Mittlerweile hat sich eine Spielergewerkschaft gegründet. Sie sind Gründungsmitglied. War für Sie als jemand, der gern und offen seine Meinung sagt, von Beginn an klar, dass Sie sich dort engagieren wollen?

Barta: Natürlich. Man kann nicht immer nur reden und irgendwelche Sachen fordern, aber dann nicht mitmachen, wenn so etwas gegründet wird. Ich bin sehr gespannt, wo die Reise hingehen wird und wie die Resonanz ist, ob wir so viele Mitglieder bekommen, wie es sich derzeit anhört. Jeder Spieler, mit dem man spricht, ist begeistert, aber natürlich weiß man nicht, wer wirklich an Bord ist, wenn man die Beiträge zahlen muss.

Gernot Tripcke, der DEL-Chef, hat auch schon gesagt, dass er die Spielervertretung grundsätzlich begrüßt, aber man abwarten müsse, wie repräsentativ die wirklich ist. Sehen Sie auch die Gefahr, dass das im Endeffekt nur eine Interessenvertretung für Nationalspieler oder andere gestandene deutsche Spieler wird? Oder wird auch der Kanadier, der nur für zwei Jahre in der DEL spielt, eintreten?

Barta: Das ist natürlich unser Ziel, aber es wird schwieriger, die nordamerikanischen oder überhaupt die ausländischen Spieler davon zu überzeugen. Auf der deutschen Seite werden wir da keine Probleme haben, da werden sehr viele beitreten. Aber auch bei den Ausländern wäre es schön, der Beitrag soll ja nur 120 Euro sein, das ist nicht die Welt. Egal, ob es jetzt direkt etwas für einen bringt, die Summe kann glaube ich jeder abzwacken – allein für die Hoffnung, dass es einem etwas bringt.

Der Anlass der Gründung war die Gehaltsdiskussion, aber…

Barta: …das hat das Ganze ausgelöst, weil wir uns ein bisschen so gefühlt haben, als hätte man uns die Pistole auf die Brust gesetzt: „Entweder ihr macht es oder der Eishockeysport geht kaputt.“ Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer, aber wir haben schon im Mai, als die Liga erstmals mit uns gesprochen hat, gesagt: Über was reden wir denn? Wir wissen doch noch gar nicht, wie es weitergeht, ob die 25 Prozent reichen, ob es zu viel ist, zu wenig ist. Wir hatten also schon damals eine vernünftige Meinung, es ging uns ja auch nie ums Geld an sich. Jedem Spieler war klar, dass wir verzichten müssen. Aber es war uns einfach zu früh, und die Art und Weise war in unseren Augen nicht richtig. Dass wir das aus der Presse erfahren, kann ja auch nicht sein. Das alles hat das Thema Gewerkschaft aber nur neu angestoßen. In der Nationalmannschaft war das über Jahre immer ein Thema, aber es hat nie geklappt. Deswegen freuen wir uns, dass es jetzt so ist.

Es soll künftig aber nicht nur um Geld gehen, oder?

Barta: Nein. Wo die Reise genau hingeht, ist jetzt natürlich schwer zu sagen, aber uns ist wichtig, dass wir eine Stimme haben. Dass wir bei gewissen Entscheidungen vielleicht nicht direkt mitentscheiden, aber dass man uns zumindest nach unserer Meinung fragt. Dass die Liga nicht immer nur ihre eigenen Entscheidungen trifft und dabei nicht mal nachfragt, wie wir Spieler das sehen. Das soll auch kein Gegen-die-Liga-Arbeiten sein, wir sind alle daran interessiert, dem deutschen Eishockey und der Liga zu helfen und nicht irgendwelche Streitigkeiten anzuzetteln.

Das passt in die Zeit. Aktuell stehen die Spieler in Nordamerika gegen Rassismus und Polizeigewalt auf, hier haben sich olympische Sportler zur unabhängigen Vereinigung Athleten Deutschland zusammengeschlossen, Beachvolleyballer organisieren eine eigene Turnierserie. Ist die Zeit vorbei, in denen Sportler nur auf dem Platz stehen und sich sonst raushalten?

Barta: Ja, und es ist ja auch nicht falsch. Wir sind nun mal die Hauptattraktion des Sports, deswegen kann man uns zu gewissen Themen an den Tisch setzen, damit auch wir unsere Meinung sagen können. Ob die dann immer umgesetzt wird, steht auf dem nächsten Papier. Aber dass man uns zumindest mal fragt, wie wir das sehen.

Zum Abschluss noch mal zur DEG: Viele Veränderungen gab es nicht, wie gefällt Ihnen der neue Kader auf dem Papier?

Barta: Alles gut. Toll, dass man sich mit Maxi (Kammerer) geeinigt hat, dass ein Daniel Fischbuch da ist. Offensiv sind wir sehr gut aufgestellt, ähnlich gut wie in den vergangenen Jahren. In der Verteidigung müsste noch etwas passieren.

Und bei den Torhütern?

Barta: Ich bin ein absoluter Fan von der Entscheidung, mit zwei jungen Deutschen in die Saison zu gehen. Also natürlich hätte ich Mathias (Niederberger, nach Berlin gewechselt) supergerne behalten, das wäre die Optimallösung gewesen. Aber wir meckern in Deutschland immer alle, dass die jungen deutschen Spieler oder Torhüter nicht die Chance bekommen, und jetzt haben sie die. Ich finde es Klasse, dass die DEG den Schritt geht und es einfach mal probiert. Ich bin da auch guter Dinge, dass wir uns nicht ärgern werden.

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