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„Früherer Bundesliga-Start wäre besser gewesen“

DHB-Chef über Chancen und Probleme des Handballs

Foto: DHB / Klahn

von Norbert Krings

Verantwortlich für einen großen Sportverband zu sein, ist in Corona-Zeiten keine dankbare Aufgabe. Wir sprachen mit Mark Schober, der seit drei Jahren als Vorstandsvorsitzender an der Spitze des größten Handball-Verbandes der Welt steht. Der 47-Jährige erklärt, wie er mit seinem Team und der deutschen Handball-Familie die Krise meistert sowie neue Entwicklungen und Innovationen anschiebt.

Herr Schober, gibt es derzeit in Ihrer Position viel zu tun oder ist das Tagesgeschäft wegen Corona fast zum Erliegen gekommen?

Mark Schober: Ich hatte tatsächlich an den Wochenenden die Möglichkeit, einige Folgen von Bastian Pastewka zu sehen, aber sonst gibt es viel Arbeit, die natürlich anders aussieht als vor Corona. Die Personalführung verlangt mehr Aufmerksamkeit, weil nahezu alle Mitarbeiter seit Anfang November wieder im Home-Office sind. Es ist viel mehr Kommunikations- und Informationsbedarf nötig. Die großen Reisen fallen für mich derzeit weg. Ich bemerke den zweiten Lockdown auch zuhause, weil die Kinder nicht mehr in ihre Sportvereine können.

Was ist durch Corona beeinträchtigt worden? Worauf mussten Sie besonders achten?

Schober: Es ist einiges auf den Kopf gestellt worden, vor allem weil wir zunächst wenig Zeit für Antworten hatten und uns ständig um neue Herausforderungen kümmern mussten. Das war mit einer hohen Unsicherheit verbunden. Das ständige Ändern der Richtung ist manchmal demotivierend. Andererseits versuche ich immer, eine positive Stimmung zu verbreiten, indem ich aufzeige, welch tolle Erfahrungen wir auch in der Krise gemacht haben. Neue Entwicklungen und neue Themen sind wir angegangen, die vorher nicht im Blick waren. Das war möglich, weil wir mit unseren 50 Mitarbeitern im Verband ein großartiges Team haben.

Mark Schober vertritt nicht nur die Spitzenvereine in Deutschland. Foto: DHB /mwol

Da gibt es sehr viele, die ihre Themen selbst gesucht und das Heft in die Hand genommen haben. Sie haben den Vereinen Hilfe angeboten.

Was waren das für Hilfen und wurden sie angenommen?

Schober: Wir vertreten alle Vereine von der Bundesliga bis runter zum Kindersport. Auf allen Ebenen haben wir gearbeitet, um Lösungen anzubieten. Auch auf der politischen Ebene. Es ist ein positiver Effekt der Krise, dass wir jetzt deutlich besser vernetzt sind. Und ich habe einen großen Respekt für die Politik, die uns wirklich geholfen hat. Nach der Aussetzung des Spielbetriebs im Frühjahr haben wir Modelle entwickelt zum Thema „Return to play“. Wir haben Hygienekonzepte und Mustervorlagen entworfen, die sich die Vereine zu eigen machen konnten. Die Clubs haben einen Super-Job gemacht, vor allem dank der vielen Ehrenamtlichen. Ganz aktuell haben wir die Länderverordnungen gesammelt, um zu erkennen, wo zum Beispiel was in Sachen Training möglich ist. Wir haben uns intensiv für Überbrückungshilfen eingesetzt, und wir sind froh, dass das funktioniert hat.

Sind Sie froh, dass der Spielbetrieb im oberen Bereich wieder läuft und jetzt auch weitergehen darf?

Schober: Stand heute, hätten wir sogar noch einen Monat früher wieder anfangen sollen. Eigentlich wäre es also cleverer gewesen, die Bundesliga bereits Anfang August zu starten. Dann wären wir jetzt noch weiter. Hinterher ist man aber immer schlauer.

Sind die Handballer anders als im Eishockey weniger auf Zuschauer-Einnahmen angewiesen?

Schober: Ich kann nicht über andere Sportarten sprechen. Im Handball ist es so, dass die Vereine natürlich auf Zuschauer-Einnahmen und noch viel stärker auf Sponsoren-Einnahmen angewiesen sind. Das bedingt sich gegenseitig. Die TV-Einnahmen sind bei uns der kleinere Teil. Die mediale Aufmerksamkeit brauchen wir aber für die Sponsoren.

Was macht der Deutsche Handballbund, um letztlich die Krise zu überleben und für die Zukunft gerüstet zu sein?

Schober: Wir investieren beispielsweise in die digitalen Prozesse. Wir machen Trainingsangebote für Kinder, Talks, Podcasts. Das hat gut funktioniert, weil wir was für die Mitglieder tun konnten und den Sponsoren gezeigt haben, dass wir da sind. Wir werden jetzt zeitnah weitere digitale Angebote machen.

Werden die Mitgliederzahlen dennoch einbrechen?

Schober: Davon ist leider auszugehen. Ich habe keine Zahlen parat. Aber es ist in gewisser Hinsicht logisch, wenn Breitensportteams quasi ein Jahr nicht spielen können oder bei den quantitativ nicht so gut aufgestellten Damenteams die eine oder andere Spielerin aufhört. Das ist schon die Gefahr, dass sich Mannschaften auflösen. Auch bei den Kindern, die jetzt in die Pubertät kommen, ist die Gefahr größer, weil sie zuhause sich mehr auf die Medien konzentrieren. So geht es mir zuhause mit meinen Söhnen auch. Daher müssen wir versuchen, dass die Kinder möglichst schnell wieder trainieren können und wir alternative Angebote machen, wie etwa Spielformen ohne Körperkontakt. Wir können viele Dinge anstoßen, sie müssen in den Vereinen aber auch ankommen. Das ist keine leichte Aufgabe.

Wie sieht es mit Qualitätseinbußen im Spitzensport aus?

Schober: Auch da ist die Gefahr groß. Irgendwann kommen die Klubs an den Punkt, an dem sie ihre Gehälter nicht mehr zahlen können. Ohne Einnahmen muss man an die Löhne gehen. Denn es sind ja dann alle Vereine betroffen. Es besteht die Gefahr, dass wir im Leistungssport Menschen verlieren.

Helfen die Maßnahmen der Politik?

Schober: Wir sind auch ein Wirtschaftszweig und nicht nur zum Vergnügen da. Deshalb ist es wichtig, dass die Profivereine weiterspielen können. In den Vereinen sind auch zahlreiche Mitarbeiter vom Spielbetrieb und wirtschaftlichen Erfolg abhängig.

Mark Schober ist der Politik für die Hilfestellung dankbar. Foto: DHB

Es ist wichtig, dass wir weiterarbeiten können.So sind wir für die Überbrückungshilfen sehr dankbar. Womöglich reichen sie nicht aus, dann müssen wir daran arbeiten. Allerdings haben wir auch viele Kosten, beispielsweise für Lehrgänge reduziert. Von der von uns ausgerichteten WM 2019 ist ein Polster übriggeblieben. Wir haben einen Umsatz von 10 Millionen Euro im Jahr, und es ist wichtig, einen Sockel aufzubauen, um auch ein schlechteres Jahr oder eine Krise zu überstehen. Die nächste WM im kommenden Januar ist für uns alle sehr wichtig, und wir sind froh, dass ARD und ZDF unsere Spiele, die zu einem großen Teil um 20.15 Uhr zur Prime Time stattfinden, übertragen werden. Davon haben wir früher geträumt.

Und Düsseldorf spielt bei künftigen Großveranstaltungen eine Rolle?

Schober: Wir arbeiten gemeinsam daran, dass wir bei der Handball-EM 2024 in der MERKUR SPIEL-ARENA zum Eröffnungsspiel antreten können. Und auch für die Handball-WM der Frauen 2025 und für die der Männer 2027 ist Düsseldorf ein heißer Kandidat. Das kann ich jetzt schon sagen. Der ISS DOME ist super und optimal für den Spitzen-Handball. Das haben wir beim Supercup und bei den Länderspielen erlebt. Man ist nahe dran am Spielfeld, die Akustik ist sehr gut, der VIP-Bereich ideal. Das Engagement der Stadt ist groß, da bringen sich viele mit ihren Ideen ein. In Düsseldorf erfahren wir also enorm viel Unterstützung. Man fährt hier mit uns Modelle, in denen wir uns sehr gut aufgehoben fühlen. Auch die German International Youth Championships, die 2019 in Düsseldorf stattgefunden haben, waren ein erfolgreiches gemeinsames Projekt.

Und es ist eine Strukturreform beim DHB geplant…

Schober: Wir haben eine Strukturreform im Auge, die wir auf das kommende Jahr verschieben mussten. Da gibt es zwei Bausteine: Der eine ist die Mitgliederentwicklung. Wir wollen Mitglieder halten und natürlich auch dazu gewinnen. Es gib in jedem Dorf einen Handball-Klub. Das gibt es sonst nur beim Fußball. Die gesellschaftliche Relevanz des Handballs wollen wir erhalten und diese breite Tradition ist uns wichtig. Die regionalen Untergliederungen müssen also so arbeiten, dass sie den Vereinen helfen können. Dazu müssen wir uns strukturell besser aufstellen. Wir wollen hier erstens mehr hauptamtliche Mitarbeiter einstellen und die Zusammenarbeit der Landesverbände verstärken. Der Leistungssport ist der andere Baustein. Den Leistungssport wollen wir mehr zentrieren.

Sagen Sie uns bitte noch etwas zu den künftigen Innovationen?

Schober: Wir bauen gerade an einer Plattform, die „handball.net“ heißt und auf der alle Spielergebnisse veröffentlicht werden. Da investieren wir eine halbe Million Euro. Auch in die digitalen internen Prozesse des Verbandes investieren wir die gleiche Summe. Dabei spielt auch das CRM-System eine Rolle, das Ende Januar betriebsbereit sein wird. Wir haben auf Facebook ein eigenes Sendeformat mit „DHBspotlight“, das am Abend vor dem Länderspiel in Düsseldorf erstmals auf Sendung war. Wir vermitteln auf einer Art Lernplattform theoretische Trainings-Inhalte für Jugendliche. Es gibt weitere Maßnahmen, insgesamt fühlen wir uns gut aufgestellt.

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