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Historischer Triumph in Halle 14

Sportstadt-Throwback, Teil II

Foto: Horstmüller

von Tobias Kemberg

Emotionale Triumphe, spannende Events und herausragende Persönlichkeiten – die Sportstadt blickt in einer Serie auf besondere Ereignisse der Düsseldorfer Sportgeschichte zurück. In Teil zwei geht es zurück in das Jahr 1993 zum Sieg der deutschen Tennis-Asse im Davis-Cup-Finale.

Als die letzte Vorhand von Richard Fromberg im Netz landet, schwappt eine gewaltige Welle der Emotionen durch die Messehalle 14. Michael Stich steht am Netz und legt auf der roten Asche einen kurzen Jubeltanz hin, ehe er Teamchef Niki Pilic in die Arme schließt. Deutschland hat soeben den Davis Cup gewonnen, die wichtigste Mannschaftstrophäe im Welttennis. Es ist nach 1988 und 1989 der dritte Triumph für den Deutschen Tennis Bund (DTB). Und es ist einer mit einer besonderen Vorgeschichte.

Stich ist 1993 der Star des Teams, denn Boris Becker möchte sich „auf dem Höhepunkt seiner sportlichen Sinnkrise lieber selber finden statt für die deutsche Mannschaft zu spielen“, wie der Journalist Bertram Job schreibt. Becker und Stich – die beiden Alphatiere des deutschen Tennissports mögen sich nicht. 1991 besiegt der intelligente Stich den emotionalen Becker im Finale von Wimbledon in dessen „Wohnzimmer“. 1992 gewinnen sie gemeinsam in Barcelona die Olympische Goldmedaille im Doppel. Doch ihr Verhältnis ist nie gut, bis heute nicht.

Ich spiele gern Davis Cup. Für mich ist Beckers Entscheidung nicht nachvollziehbar“, sagt Stich zu Beginn des Jahres 1993, das für ihn das erfolgreichste seiner Karriere wird. Der Elmshorner gewinnt die Masters-Turniere in Hamburg und Stockholm sowie in Stuttgart, Queens und Basel. Zwei Wochen vor dem Davis-Cup-Finale in Düsseldorf besiegt Stich zudem Pete Sampras beim ATP-Finale und krönt sich damit zum Einzelweltmeister des Jahres.

„Die Atmosphäre
in Düsseldorf
war großartig.“
Michael Stich

13.000 Zuschauer am Center Court und ein neuer Drink

Sein großes erklärtes Ziel, für das er – trotz aller Schwierigkeiten mit seinem Rivalen – sogar mit Becker zusammengespielt hätte, ist aber der Gewinn des im Jahre 1900 ins Leben gerufenen Wettbewerbs. Für Stich ein Kindheitstraum. Dennoch droht er dem DTB sogar mit seinem Rückzug, sollte Becker im Laufe des Jahres doch noch Lust auf den Davis Cup verspüren und dann nominiert werden. Erst im Halbfinale oder Finale dem Team helfen? Das gefällt dem Rechtshänder aus dem Norden nicht. Doch soweit kommt es nicht.

Nach zwei souveränen 4:1-Siegen über Russland und die Tschechische Republik steht Deutschland Ende September im Halbfinale und zerlegt in diesem das schwedische Team um müde gewordenen Topstar Stefan Edberg in deren Heimat glatt mit 5:0. Und das, obwohl die Tennis-Experten Deutschland ohne Becker-Beteiligung zu Beginn des Wettbewerbs nur als Außenseiter eingestuft hatten.

So organisiert Tennismogul Ion Tiriac für das zweite Adventswochenende das große Finale in Düsseldorf, da die großen Hallen in Dortmund, München und Stuttgart nicht verfügbar sind. Mehrere Messehallen werden benötigt, insgesamt 45.000 Quadratmeter Fläche werden in Anspruch genommen. Der 13.000 Zuschauer fassende Center Court wird mit Hilfe einer gigantischen Stahlkonstruktion in Halle 14 errichtet. Für rund eine Million Mark. Und im Kö-Club „Sam’s West“ wird ein neuer Drink namens „Longline“ kreiert.

Foto: Horstmüller

Publikum trägt Kühnen und Stich zum Doppel-Sieg über die „Woodies“

Da der Gegner aus Australien seine Stärken eher auf Rasen- und Hartplätzen ausspielen kann und der Gastgeber den Bodenbelag bestimmen darf, wird in Düsseldorf auf Sand aufgeschlagen. Michael Stich eröffnet das Finalwochenende an jenem 3. Dezember gegen Jason Stoltenberg, der bis dahin gerade einmal einen Karrieretitel auf der ATP-Tour gewonnen hat. Der erste Satz geht im Tiebreak an den Australier, ehe sich Stich deutlich steigert. Stoltenberg aber macht es dem Favoriten schwer und kämpft sich nach 1:2-Rückstand in den fünften Durchgang, doch den schnappt sich der Weltranglisten-Zweite mit 6:3.

Viel fehlt der deutschen Mannschaft am Ende des ersten Tages nicht zur 2:0-Gesamtführung, denn Marc-Kevin Goellner holt sich im zweiten Einzel die ersten beiden Sätze gegen Richard Fromberg. Im Tiebreak des dritten steht Goellner kurz vor dem Sieg, verliert diesen jedoch noch mit 8:10. Nach vier Stunden und 32 Minuten sowie fünf abgewehrten Matchbällen jubelt Fromberg.

Am Samstag stehen Michael Stich und Patrik Kühnen dem Weltklasse-Doppel Todd Woodbridge/Mark Woodforde gegenüber. Angetrieben vom frenetischen Publikum kämpft das deutsche Duo um jeden Ball. Nach den ersten beiden Sätzen ist es ein ausgeglichenes Match. Die wenigen australischen Fans in der Messehalle feuern die „Woodies“ noch einmal mit einem lautstarken „Aussie Aussie Aussie, oi oi oi“ an. Stich und Kühnen spielen sich aber endgültig in einen Rausch. Der Viersatzsieg reißt die 13.000 von ihren Sitzen. „Oh, wie ist das schön“, schallt es über den Center Court, als sei der Finaltriumph bereits perfekt.

Mach dir keine Sorgen, ich werde auf jeden Fall gewinnen“

Genau dafür sorgt der alle(s) überragende Stich am Sonntag. Mit 6:4, 6:2 und 6:2 setzt sich der damals 25-Jährige gegen Fromberg durch und tütet den dritten Davis-Cup-Sieg ein. Das abschließende Einzel zwischen Goellner und Stoltenberg, das in drei Sätzen an den Deutschen geht, hat nur noch statistischen Wert. Am Ende heißt es 4:1 für das DTB-Team und die italienische Zeitung „Corriere dello Sport“ gratuliert mit der Schlagzeile: „Deutschland kann die Erinnerung an seinen König Becker in die Schublade stecken“.

Später blickt Stich zurück: „Die Atmosphäre in Düsseldorf war großartig. Nachdem wir den Titel geholt hatten, haben die Zuschauer ihre Sitzkissen auf den Court geworfen, es war ein riesiger Jubel. Dass ich dieses gesteckte Ziel, den Sieg im Davis Cup, erreichen konnte, das war einfach eine große Befriedigung. Niki Pilic hat mir vor dem Match gegen Stoltenberg taktische Tipps gegeben und ich habe einfach geantwortet: ,Mach dir keine Sorgen, ich werde auf jeden Fall gewinnen’“. Der Triumph von Düsseldorf am 5. Dezember 1993 ist die Krönung für Stich – und zugleich der bis heute letzte Davis-Cup-Sieg für Deutschland.

STATISTIK
Deutschland – Australien 4:1
Michael Stich – Jason Stoltenberg 6:7, 6:3, 6:1, 4:6, 6:3
Marc-Kevin Goellner – Richard Fromberg 6:3, 7:5, 6:7, 2:6, 7:9
Patrik Kühnen/Michael Stich – Todd Woodbridge/Mark Woodforde 7:6, 4:6, 6:3, 7:6
Stich – Fromberg 6:4, 6:2, 6:2
Goellner – Stoltenberg 6:1, 6:7, 7:6

Hier geht es zu Teil eins der „Throwback-Serie“.

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