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„Ich bin immer ein Freund davon, neue Wege zu gehen“

Raphael Holzdeppe

(Foto: Chai van der Laage)

Stabhochsprung im Stadion? Gibt es seit Jahrzehnten. Stabhochsprung in der Innenstadt? Auch bekannt. Stabhochsprung im Autokino? Das gab es noch nie. Bis zu diesem Freitag. Dann trifft sich die deutsche Elite mit internationalen Topspringern um 21.45 Uhr zur „PSD Bank Flight Night“ in Düsseldorf. Das erste Sportevent in Corona-Zeiten mit Zuschauern, die von ihren Autos aus zusehen dürfen. Und heiß drauf sind: Das Event war in kürzester Zeit ausverkauft. Auch Raphael Holzdeppe, Weltmeister von 2013, freut sich drauf, wie er uns im Interview erzählt.

Herr Holzdeppe, waren Sie schon mal in einem Autokino?

Raphael Holzdeppe: Tatsächlich noch nie, ich bin am Freitag zum ersten Mal in einem Autokino.

Und dann gleich als einer der Hauptdarsteller…

Holzdeppe: Ja. (lacht)

Hand aufs Herz, ist die Flight Night eine reine Showveranstaltung oder hat das Event für Sie auch einen sportlichen Wert?

Holzdeppe: Natürlich ist das in erster Linie ein Showevent, davon gehen ja keine Höhen in eine Bestenliste ein. Aber natürlich versucht man, so hoch wie möglich zu springen. Man hat als Sportler immer den Ehrgeiz, am Ende den besten Sprung gemacht und seine beste Leistung herausgekitzelt zu haben. Im Moment sieht es ganz gut aus, dass wir doch noch eine halbwegs normale Wettkampfsaison ohne Zuschauer haben werden. Aber man kann aktuell ja nicht lange planen. Es kann sein, dass es wieder anders kommt. Entsprechend versuche ich, jeden Wettkampf oder so ein Event wie am Freitag so mitzunehmen, als sei es das letzte der Saison.

Wie steht es um die Form der Stabhochspringer? Einerseits hat sich die Szene jahrelang auf das große Ziel Olympia vorbereitet, andererseits konnte sie in den vergangenen Wochen kaum trainieren.

Holzdeppe: Ich bin mittlerweile relativ weit, aber zuletzt hatten die Stadien zu, unsere Trainingshalle ebenfalls. Ich hatte aber Glück, dass das Wetter so gut war, da konnte ich in Parks oder Wälder ausweichen…

…ja gut, zum Laufen, aber Sie konnten ja nicht gezielt Ihren Sport trainieren.

Holzdeppe: Das stimmt, es war nicht das Training, das ich normalerweise in der Zeit gemacht hätte, aber es hat letztlich doch gut funktioniert, weil ich ohnehin nicht auf etwas Konkretes hin trainieren musste, weil ja alles abgesagt war. Ich habe quasi ein Training gemacht, mit dem ich meinen Fitnesszustand halten kann – in der Hoffnung, dass irgendwann der Anruf kommt, dass in vier bis sechs Wochen wieder etwas stattfindet und ich das Training vorher wieder hochfahren kann.

Jetzt kam der Anruf aus Düsseldorf. Die Stabhochspringer dürfen als erste Sportler in Deutschland wieder vor Publikum auftreten. Und auch wenn die Fans nur in Autos setzen, bedeutet es den Springern etwas, dass sie die Ersten sind?

Holzdeppe: Ich freue mich riesig drauf und sehe es als Chance. Andere europäische Länder sind vielleicht schon weiter, in Tschechien gibt es die ersten Ergebnisse. Aber für Deutschland ist es eine Premiere. Und vielleicht ist es eine Chance, dem ein oder anderen unsere Sportart näher zu bringen, der noch gar keine Berührungspunkte mit Stabhochsprung hatte.

Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass Stabhochsprung an außergewöhnlichen Orten stattfindet. Es gab schon Wettbewerbe am Brandenburger Tor. Ist das die Zukunft für Randsportarten? Raus aus den alten Stadien, rein in die Innenstädte zu den Menschen?

Holzdeppe: Auf jeden Fall. Es gab in den letzten Jahren viele Events in Stadtzentren, von Oberbayern bis ins kleine Dorf in Rheinland-Pfalz, aber auch „Berlin fliegt“ vor dem Brandenburger Tor. Ein Autokino ist jetzt noch mal was Neues. Natürlich muss man sich danach die Resonanz anschauen, ob das auch außerhalb einer Pandemie etwas wäre. Generell bin ich immer ein Freund davon, neue Wege zu gehen und neue Sachen auszuprobieren.

Kommen wir zum Sportlichen: Die deutschen Springer waren in den vergangenen Jahrzehnten immer weit vorne zu finden, jetzt gibt es aber das schwedische Wunderkind Armand Duplantis, das allen davon springt. Wo steht das deutsche Stabhochspringen im internationalen Vergleich?

Holzdeppe: Wir stehen nicht schlecht da, letztes Jahr hatten wir den vierten und den sechsten Platz bei der Weltmeisterschaft. Das hat es einige Jahre nicht mehr geben. Zum letzten Mal hatten wir 2013, als ich gewinnen konnte, mehr zwei Leute in den Top-6. Damals hatten wir sogar drei Leute in den Top-5. Meine neuen Teamkollegen sind noch recht jung, Bo Kanda Lita Baehre ist dieses Jahr erst 21 geworden. Es kommt auf jeden Fall etwas nach, aber wir müssen auch dran bleiben, die Weltspitze ist breiter geworden. Und natürlich: Was Mondo (Armand Duplantis) gesprungen ist, ist noch mal etwas ganz anderes, er ist mit seinen 6,17 und 6,18 ein ganzes Stück weiter vorne. Und er kann auch noch viel höher springen

Sie selbst waren auch einst ein junges Ausnahmetalent, brachen den Junioren-Weltrekord, gewannen mit 22 Bronze bei Olympia, mit 23 wurden Sie Weltmeister. Zuletzt hatten Sie aber viel mit Verletzungen zu kämpfen. Wo stehen Sie also aktuell?

Holzdeppe: Bis zum Saisonabbruch lief es gut. Dann sind wir aber schon nach sechs statt zwölf Tagen aus dem Trainingslager in Südafrika abgereist. Was im Endeffekt unser Glück war, kurz danach hat Südafrika alles dicht gemacht. Bis dahin lief es für mich wie vorher erhofft.

Sie gehen also als Favorit in das Springen am Freitag?

Holzdeppe: Schwer zu sagen. Ich habe die Jungs lange nicht mehr springen sehen, zuletzt in Südafrika. Aber dann kam die Pause dazwischen, und man weiß nicht genau, wie sich jeder einzelne fit halten konnte. Ich weiß nur, dass ich in einer guten Form bin. Und an einem Wettkampftag oder eben auch an so einem Event kommen vielen Dinge zusammen, da sind Prognosen immer schwierig. Deshalb lasse ich mich mal überraschen und das Event am Freitag einfach auf mich zukommen.

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