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Wie ein Düsseldorfer Tennisverein durch die Krise kommt

Sport in Corona-Zeiten

Foto: TC Blau Schwarz

von Bernd Schwickerath

Auch den Amateursport hat die Krise erwischt. Gerade Tennisvereine wie den TC Blau-Schwarz, der gerade in die Saison starten wollte, als plötzlich alles stillstand.

Nein, gerade gehe es leider nicht, sagt Erol Ajursheva. In einer Stunde würde es besser passen. Es seien Gäste da, und genau jetzt warteten die auf ihr Essen. Er bitte um Verständnis.

Für Erol Ajursheva war der Donnerstag ein guter Tag. Also keiner, der alle Sorgenfalten verschwinden lässt, aber immerhin einer, der an so etwas wie Normalität erinnert. Erst mittags das Abschlussessen der Kinder vom Feriencamp, für den Abend hatten 25 Erwachsene reserviert. Und zwischendurch kamen immer wieder Spieler rein, die nach ihren anstrengenden Matches in der Sonne eine Erfrischung brauchten.

Ajursheva, 40, ist Klubwirt beim TC Blau-Schwarz Düsseldorf an der Lenaustraße. Einem der zahlreichen Sportvereine in der Gegend. Dort, am Rande des Grafenberger Walds, schlägt das Herz des Düsseldorfer Tennissports. Der DTV von 1847 spielt hier, Düsseldorfs ältester Sportverein. Bei TC Rot-Weiß hat der Verband sein Zuhause, ein paar Straßen weiter beim Rochusclub schlugen früher die Stars aus aller Welt auf, heute gibt es immerhin noch die Bundesliga zu sehen.

Dieses Jahr natürlich nicht. Der Coronavirus hatte ja fast die ganze Welt lahmgelegt, auch den Sport, auch im Düsseldorfer Osten. Und das ausgerechnet im Frühsommer, wenn tausende Hobbysportler nach dem langen Winter endlich wieder an der frischen Luft spielen können. Da fliegen die Tennisbälle normalerweise an sieben Tagen die Woche über die Dutzenden Plätze, von morgens bis abends. Allein Blau-Schwarz hat 14 Plätze und 800 Mitglieder.

Foto: Bernd Schwickerath

„Wir hatten das tollste Wetter, die Plätze waren fertig — die Mitglieder haben an unsere Pforte gekratzt“, sagt Corinna Scheit, bei Blau-Schwarz für den Breitensport sowie die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Doch dem Vorstand waren die Hände gebunden. Wegen der Corona-Maßnahmen war Vereinssport verboten. Im März verschob der Tennisverband Niederrhein nicht nur Turniere und Liga-Spieltage, er empfahl den Vereinen auch „dringend, ihre Anlagen und Klubhäuser bis auf Weiteres nicht zu öffnen“. Das wollten nicht alle akzeptieren, im Tennis haben die Spieler in der Regel ja großen Abstand zueinander. Doch der Beschluss stand.

Mehrere Menschen sind beruflich mit dem Klub verbunden

„Ein Schock“ sei das gewesen, sagt Corinna Scheit. Einerseits ist Blau-Schwarz ein Hobbyverein, kann also nicht auf TV-Geld, treue Fans oder große Sponsorengelder zurückgreifen. Anderseits gibt es sehr wohl Menschen, die beruflich mit dem Klub verbunden sind. Und die nun ohne Einnahmen dastanden. Die Trainer der Tennisschule, der Pächter des Tennisshops, die Sekretärin, die Reinigungskraft, und Erol und Sanela Ajursheva, die Wirte.

Im zweiten Jahr sind die beiden nun im Bauhaus-artigen Klubhaus. Sie fühlen sich wohl. Jahrelang arbeiteten sie an der Kö, 2019 machten sich selbstständig. Bereut haben sie das nicht, im ersten Jahr hatten sie gut zu tun. Blau-Schwarz hat 22 Mannschaften. Und im Tennis essen die Liga-Teams hinterher gemeinsam. Hinzu kommen diverse Turniere und Feste auf der Anlage. Es gibt eine Kegelbahn, die gut gebucht wird. Und auch sonst kommen die Mitglieder vorbei, nicht selten gar nicht zum Spielen, sondern nur zum Essen. „Die Mitglieder tun hier was für ihre Wirte“, sagt Erol Ajursheva, der zudem knapp 30 Prozent seines Umsatzes mit externen Gästen macht, Menschen aus der Nachbarschaft.

Die sieht an manchen Stellen so aus, wie man sich Düsseldorf überall vorstellt, wenn man noch nie in Düsseldorf war. Große Einfamilienhäuser, moderne Wohnkomplexe oder renovierte Altbauten, gepflegte Straßen und Vorgärten. Die Autos kommen gern aus Stuttgart oder München. Dass hier gleich sieben Tennisvereine – auch DSD, DSC 99 und TC 13 sind nicht weit weg – funktionieren, liegt auch daran. Bei Blau-Schwarz kostet das Jahr 370 Euro.

Erol Ajursheva half das im Frühsommer nicht. „Letztes Jahr waren das unsere besten Monate“, sagt der Wirt, der auf „schwere Zeiten“ zurückblickt. Tennis ist für viele Klubs und Wirte ein Sommergeschäft, nun musste er in der Hochzeit zwei Monate schließen. Umso mehr müsse er nun „dem Vorstand danken“, der sei ihm bei „Pacht und Betriebskosten sehr entgegengekommen“, sagt er.

Als es erste Signale gab, dass die Auflagen wieder gelockert werden, machten sie sich im Verein auch gleich daran, ein Hygienekonzept für die Anlage zu erstellen. Keine leichte Aufgabe für Ehrenamtler ohne Vorerfahrung in einer Pandemie. „Irgendwann hieß es fast von heute auf morgen, wir können wieder aufmachen. Es gab aber nie konkrete Informationen, was man genau beachten muss“, sagt Corinna Scheit. Trotzdem bekamen sie es irgendwie hin, seit einigen Wochen fliegen die Bälle wieder übers Netz. Der Verein fährt langsam hoch – mit Betonung auf langsam.

Im Klubhaus und in der Halle sind bis heute viele Türen verschlossen, an mehreren Stellen sind Desinfektionsmittel und Hinweisschilder mit Hygienetipps zu sehen. „Die Tennisschule hat ein eigenes Konzept für die Plätze erstellt. Jeder Spieler weiß genau, von welcher Seite er den Platz zu betreten hat“, sagt Scheit. Auch die Magnettafel, mit der Spieler sich für die Plätze eintragen, darf nicht benutzt werden. Stattdessen gibt es nun ein Buchungssystem im Internet. Da sei sie etwas skeptisch gewesen, ob das alle mitmachen, „aber selbst die älteren Mitglieder haben das schnell angenommen“, sagt sie.

Der Sportverein als soziale Insel fiel Monate lang weg

Gerade für die Älteren ist der Verein mehr als ein Ort, um Sport zu treiben. Die Vormittage auf den Tennisanlagen gehören meist ihnen. Erst ein Spiel, dann ein Getränk auf der Terrasse. „Sport ist eine wichtige soziale Insel, wo Leute sich aufgehoben fühlen. Das war monatelang weg“, sagt Scheit, die bei vielen Mitgliedern festgestellt hat, wie wichtig ihnen der Verein ist. Wie wichtig es ist, wieder Menschen zu sehen, „natürlich auf Distanz, aber sie können wieder gemeinsam spielen und lachen“, sagt Scheit.

Das gilt auch für die Ligaspielerinnen. Zwei davon sind Wiebke Kröll und Hanna Dehning. Die Studentinnen spielen mit den zweiten Damen in der Verbandsliga. Jetzt haben sie den Mittag genutzt, um sich vom Lernen abzulenken. Sie sind zwar keine Profis, nehmen ihren Sport aber ernst. Zuletzt ist das Team zweimal aufgestiegen. Dieses Jahr sollte es so weitergehen, „aber dann hieß es: kein Training, kein Spiel“, sagt Wiebke Kröll, „die Anlage war leergefegt“. Also hätten sie „andere Sachen gemacht, um uns fit zu halten“, sagt Hanna Dehning. Irgendwann hätte sie daheim vor eine Wand gespielt, „aber das kann richtiges Tennis nicht ersetzen“.

Nun ist die Saison doch noch gestartet. Allerdings keine normale. Zu den Auswärtsspielen fahren sie getrennt, beim Doppel wird nicht abgeklatscht. Zudem verzichten zahlreiche Spielerinnen oder ganze Teams dieses Jahr auf den Ligabetrieb, der Verband hat den Abstieg ausgesetzt. Aber der interessiert Blau-Schwarz ohnehin nicht. Es soll weiter nach oben gehen. Und der Anfang kann sich sehen lassen. Nach zwei Spieltagen stehen die Düsseldorferinnen ganz oben in der Tabelle. Nun hoffen sie, dass alles glatt läuft und sie die Saison halbwegs sauber zu Ende bringen können.

Das hofft Corinna Scheit nicht nur aus sportlichen Gründen. Zwar hätte der Klub „keine Existenzsorgen, aber das dicke Ende kommt vielleicht noch“, sagt sie. Es gebe bereits einige Austritte, „und wir rechnen schon damit, dass wir im Oktober weitere Abgänge haben werden, die wirtschaftliche Gründe haben“. Für Erol und Sanela Ajursheva gilt das nicht, die Reserven hätten gereicht. „Aber ich habe Angst vor einem zweiten Lockdown. Wenn der kommt, ergeht es uns so, wie vielen Gastronomen weltweit, dann gehen wir K.o.“

Dieser Text ist zunächst bei unserem Kooperationspartner Westdeutsche Zeitung erschienen.

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