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„Wir versuchen, selbstverliebt respektvoll zu sein“

DEG-Pressesprecher Frieder Feldmann im Interview

Foto: Kenny Beele

von Bernd Schwickerath

Seit 2001 ist Frieder Feldmann Pressesprecher der Düsseldorfer EG. Aber eigentlich ist er viel mehr. Wenn die DEG auch außerhalb der Eishockeyszene Schlagzeilen macht, weil sie für die Anerkennung als Weltkulturerbe bewirbt oder den Bus der Kölner Haie beklebt, steckt meistens Feldmann dahinter. Erst kürzlich erregte ein Facebook-Post Aufsehen, weil sich die DEG über den vermeintlich parteiischen TV-Experten Herberts Vasiljevs ärgerte. Ein Gespräch über Humor im Sport, kreative Ideen und wie sich die Medienarbeit verändert hat.

Hat sich Herberts Vasiljevs schon gemeldet?

Frieder Feldmann: Er persönlich nicht. Ich hatte einen Fake-Anruf, bei dem jemand sagte, er wäre Vasiljevs, Magenta hätte ihn gefeuert und ich wäre ein, nun ja, Schimpfwort. Ich habe mich super erschreckt, aber es war ein Freund von mir. Was wir aber wirklich hatten, war ein Gespräch mit Magenta. Da sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir mal gemeinsam einen Eishockey-Abend machen, wo wir bei Bier und Bratwurst über die Schönheit dieses Spiels sprechen wollen.

Gab es schon mal richtig Ärger?

Feldmann: Wir haben ein paar Mal ein bisschen Strafe für freche Bildunterschriften zahlen müssen, richtig Ärger hat es aber nicht gegeben.

Sind schon mal Sachen intern gestoppt worden?

Feldmann: Ja, letztens erst. Ich wollte mit einem frechen Post die Kölner Haie kritisieren, weil sie erst Geld von Eishockeydeutschland sammeln, damit sie überleben, und dann haben sie das Geld und kaufen davon neue Stürmer, obwohl sie genug davon haben. Das fand ich bedenkenswert und wollte sie ein bisschen in die Pfanne hauen. Das habe ich dann aber nicht gemacht, weil ich die Lage der Kollegen in Wirklichkeit ja gar nicht beurteilen kann.

In anderen Ländern – vor allem in Nordamerika – ist es recht normal, dass sich die Vereine über Social Media gegenseitig auf die Schippe nehmen. Warum sind hier alle so zurückhaltend?

Feldmann: Jede Art von Humor stößt ja per se an irgendeine Grenze, die jemand vielleicht nicht lustig findet. Das muss man sich trauen, und man muss das Standing in seinem Klub haben. Notfalls geht es auch mal daneben, damit muss man dann leben. Wir sind bei der DEG sehr dankbar, dass wir das hier haben. Wenn ich zum Buchhalter gehe und sage, ich bräuchte mal 100 Euro für einen Kranwagen, dann fragt der nicht mehr groß nach, warum der Pressemann einen Kranwagen braucht. Das geht dann einfach. Also vielen Dank an die DEG dafür.

Oder ist Sport in Deutschland generell eine zu ernste Angelegenheit? Fehlt vielen einfach der Humor?

Feldmann: Na ja, du lehnst dich mit Humor nun mal weit aus dem Fenster. Wenn wir sagen: „Hey Kölner Haie, schöne rote Laterne“, aber dann verlierst du gegen die – das ist uns mal passiert –, musst du das Rückgrat haben, die Reaktion zu ertragen. Ob Humor prinzipiell für viele Klubs ausfällt, kann ich nicht beantworten. Für uns ist er einfach Image bildend. Wo ist sonst unser Unique Selling Point? Tradition haben andere auch. Also versuchen wir, selbstverliebt respektvoll zu sein. Die anderen sind toll, aber wir sind es auch.

Also sind die Aktionen auch ein bisschen aus der Not geboren, weil ihr nicht mehr andauernd Deutscher Meister werdet?

Feldmann: Ja vielleicht.

Wie muss man sich die Arbeit vorstellen?

Feldmann: Das ist immer Teamwork. Am meisten mit dem geschätzten Kollegen Sebastian Esch, aber auch die anderen auf der Geschäftsstelle und Geschäftsführer Harald Wirtz werden immer einbezogen, stellen kluge Fragen, haben gute Ideen. Das ist keine One-Man-Show. Die Leute, die bei uns auf der Geschäftsstelle arbeiten, machen gerne, was sie tun. Dann entstehen solche Sachen.

Ihr macht aber schon außergewöhnliche Sachen: Die DEG für das Weltkulturerbe vorschlagen, die Kölner Haie bei Ebay versteigern, den Kölner Bus bekleben, zuletzt das Buch mit provokanten Texten oder den offenen Brief an Herberts Vasiljevs. Auch in der Stadionzeitung finden sich kuriose Ideen. Ist das spontane Eingabe oder setzt ihr euch gezielt hin und überlegt euch fünf Aktionen?

Feldmann: Also wir sitzen da nicht in goldenen Sesseln und werfen uns gegenseitig Weintrauben in den Mund. Das meiste ist einfach Alltag. Als Presseabteilung sind wir erst mal Dienstleister – für die Medien, für die Fans, für die Kollegen, die eine schöne Pressemeldung zum neuen Fanschal haben wollen. Die kreativen Sachen kommen zwischendurch. Man muss halt mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen. Dann erkennt man, dass die Krefelder den Pietta nicht vernünftig verabschiedet haben. Das habe ich zufällig mitbekommen und habe Sebastian gefragt, ob wir das nicht machen sollen. Dann bedenkt man kurz, wo es Ärger geben könnte, weil wir ja auch nicht jeden Spieler gut verabschiedet haben. Aber das haben wir dann trotzdem gemacht. Und das war ein großer Erfolg.

Und wie kommt man auf die Idee, eine Fotostrecke über die Ohren der Spieler in der Stadionzeitung zu machen?

Feldmann (lacht): Ein Magazin in einer digitalen Welt ist ein bisschen Old School, wir stecken da bizarr viel Arbeit rein. Und wenn du stundenlang Interviews abtippst, brauchst du auch mal was, was du für dich machst, wo du selber Spaß dran hast, und dann machst du halt ein Ohrenrätsel. Wir haben in der ersten Ausgabe diese Saison auch einfach mal ein Finde-die-fünf-Fehler-Bild gemacht, aber da waren gar keine fünf Fehler drauf. Wir haben einfach zweimal nebeneinander dasselbe Bild abgedruckt. Das muss man sich natürlich auch trauen. Wir wissen ja: Die Leute sitzen dann zu Hause davor, suchen die Fehler, finden aber keine, hadern, meckern ihre Partner an, lassen sich scheiden, wandern aus. Damit müssen wir umgehen. Aber wir wollten halt schon immer mal ein Finde-die-Fehler-Rätsel ohne Fehler machen. Manches macht man dann auch für sich selber.

Die Aktion, die am meisten Aufsehen erregt hat, war der große DEG-Aufkleber auf dem Haie-Bus. Die war da deutlich aufwendiger als ein Social-Media-Post oder zwei Bilder. Wie lief das ab?

Feldmann: Ich hab die Geschichte schon oft erzählt, aber nun gut: Ich war im Trainingslager auf meinem Balkon und sah, wie die Mannschaft zur Halle fährt. Da ist mir aufgefallen, dass unser martialisch schwarzer Bus oben weiß ist. Wie kann das sein? Ich kenne den Bus seit Jahren, aber mir ist nie aufgefallen, dass er oben weiß ist? Weil eben fast nie jemand von oben auf Busse schaut. Dann bin ich unter die Dusche gegangen und hab das Thema in mir arbeiten lassen. Bus von oben sieht man nicht. Bus von oben sieht man nicht. Und irgendwann war die Idee mit den Kölner Haien geboren.

Aber dann war sie noch nicht umgesetzt…

Feldmann: Das war ein bisschen eine Mission Impossible. Wir mussten Kameraplätze organisieren auf dem Hotel gegenüber und auf dem Mannesmann-Gebäude. Das muss man auch erst mal schaffen, die Hausmeister zu überzeugen, am Freitagabend um 22 Uhr ein Kamerateam auf das Dach zu lassen. Wir hatten auch eine Drohne, was in Flughafennähe völlig hirnrissig war. Ein paar Wochen später ist der ganze Londoner Flughafen lahmgelegt worden, weil da eine Drohne in der Nähe war, das hatten wir überhaupt nicht bedacht. Aber gut. Wir wussten von Philip Gogulla [Ex-Haie-Spieler, der damals bei der DEG spielte], dass der Kölner Busfahrer alle 15 Minuten eine Raucherpause macht, wir hatten also genau eine Viertelstunde Zeit. Wir hatten auch noch eine hübsche Mitarbeiterin und Ordner abgestellt, die den Busfahrer im Notfall auf seinem Rückweg aufhalten. Dann mussten wir Leitern organisieren und abkleben, damit die nichts kaputtmachen. Die ganzen Aktionen sollen ja immer humorig sein und keinen Schaden verursachen. Wir müssten Campino pünktlich dahin bekommen und das alles schnell durchziehen, filmen, Foto machen. Das war ein minutengenaues Timing, und es halt alles wunderbar geklappt.

Und das Medienecho war entsprechend, es wurde deutschlandweit berichtet. Und mal fernab davon, dass ihr euch über den Gag freut, im Grund geht es ja darum.

Feldmann: Klar. Neben allem Spaß hat das auch einen berechnenden Touch. Mir war klar: Wenn du das mit Campino machst, hat das eine dreimal so hohe Reichweite. Deswegen ist das auch immer ein Stück Handwerk. Auch die Auflösung. Wir wollten das eigentlich eine Woche später machen, aber da wäre Bundesliga gewesen, also haben wir uns den Dienstag ausgesucht, an dem nur die Bayern auswärts in Saloniki oder so gespielt haben. Das ist halt das Handwerk, die Aktion so umzusetzen, dass sie Platz findet in den heute Fußball-lastigen Medien.

Das Problem haben ja mittlerweile alle Sportarten neben dem Fußball. Aber auch die Medienlandschaft ist eine andere. Wie hat sich der Job in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten als Pressesprecher bei der DEG verändert?

Feldmann: Total. Als ich angefangen habe, war die Hauptaufgabe, den fünf Tageszeitungen in Düsseldorf an den und den Tagen in der Woche Geschichten zu liefern. An den anderen Tagen brauchte ich nichts liefern, da kamen Vor- und Nachberichte zu den Spielen. Heutzutage sind wir ein eigenes Medienhaus. Ich gehe bei keiner Meldung, die ich verschicke, mehr davon aus, dass irgendeine Zeitung die abdruckt. Du musst es selbst an die Leute bringen, über die sozialen Medien. Das finde ich persönlich sehr traurig, aber das ist eben so. Das hat zur Folge, dass du meistens nur noch deine Blase erreichst. Ich könnte mir vorstellen, dass es sportverrückte Menschen gibt, die von unseren Aktionen noch nie gehört haben. Dafür bist du in deiner eigenen Blase natürlich sehr groß.

Diese Saison gibt es sogar eine eigene Youtube-Show. Ist generell geplant, mehr Bewegtbild zu machen?

Feldmann: Ja, immer Bewegtbild. Aber dieser Fetisch zum Video ist durch die faktischen Zahlen bei uns gar nicht belegt. Ein kurzes Instagram-Video hat bei uns weniger Reichweite als ein Post über Herberts Vasiljevs. Eigentlich ist das entgegen des Trends. Die Leute müssen das lesen, und es explodiert nichts, es hoppeln auch keine Panda-Babys durch die Gegend, obwohl man das ja anscheinend heute machen muss. Aber bei uns lesen die Leute Texte und finden das gut. Deswegen appelliere ich immer, auch bei Social Media an die Substanz zu denken und nicht nur an das Schnelllebige.

Gerade jetzt ohne Fans in der Halle ist es noch schwieriger, die Leute bei Laune zu halten. Wie schafft man den Spagat zwischen in Lasst-uns-in-Kontakt-bleiben und Wir-nerven-euch-mit-zwölf-Posts-am-Tag?

Feldmann: Ist eine gute Frage. Und wir hinterfragen uns auch selbst jeden Tag. Es gibt ja auch immer neue soziale Medien. Irgendjemand ruft dann an und sagt: „Ihr müsst jetzt Clubhouse machen? Warum macht ihr kein Clubhouse?“ Vor ein paar Monaten war es Tiktok. Aber ich will ja gar nicht, dass meine Spieler in Barbie-Kostümen zu irgendwelchen Liedern tanzen. Das ist nicht das Image, das ich verbreiten will. Trotzdem musst du jeden Tag neu prüfen, welche die richtigen Kanäle sind, um deine Leute am besten zu erreichen.

Misst man das nur an Klicks und Favs?

Feldmann: Die größte Belohnung ist eigentlich, dass viele, viele unserer Dauerkartenfans uns das Geld für die Saison geschenkt haben. Eine genaue Zahl werden wir noch veröffentlichen, die weiß ich jetzt auch gar nicht, aber ein beachtlicher Prozentsatz hat gesagt: Ich bezahle meine Dauerkarte einfach neu und habe dieses Jahr für nichts bezahlt. Und diese Zahl beweist eine ganz enge Bindung. Unsere Leute gehen mit uns durch dick und dünn. Das tun natürlich viele Fanlager, aber bei uns ist das in Corona-Zeiten auf jeden Fall beachtlich. Und das führe ich auch auf die Öffentlichkeitsarbeit zurück.

Corona ist ja nicht vorbei. Was ist diese Saison noch geplant?

Feldmann: Wir machen noch mal eine Drive-In-Autogrammstunde, weil das ein wunderbarer Erfolg war. Da hatte ich wirklich eine kleine Träne im Auge, weil so viele Leute gekommen sind. Du überlegst ja vorher immer, ob das die Leute überhaupt interessiert. Kommt da überhaupt jemand? Klar, die Hardcore-Leute werden schon kommen. Aber sonst? Und dann sieht du ein Auto, noch ein Auto, und die Schlange wird immer länger. Dann kommt einer uns sagt, die Leute stehen um die Ecke rum. Dann kommt der nächste und sagt, die stehen bis zur Autobahn. Dann läuft Musik, die Leute machen die Scheibe runter und winken. Das machen wir auf jeden Fall noch mal Anfang März.

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