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„Wie in einem großen Wohnzimmer“

Beachvolleyballerin Melanie Gernert über die Beach Trophy

Foto: Kenny Beele

von Bernd Schwickerath

Die German Beach Trophy in Düsseldorf ist in vollem Gange. Das freut auch Melanie Gernert. Seit mehr als 15 Jahren ist die 33-Jährige im Beachvolleyball aktiv, hat eine Menge erlebt, schreibt eine Kolumne drüber und hat einen eigenen Kanal bei Twitch. Im Interview erzählt die deutsche Vizemeisterin von 2017, wie sich ihr Sport über die Jahre verändert hat und wie wichtig Projekte wie die Beach Trophy für die Weiterentwicklung sind.

Frau Gernert, Sie sind seit 15 Jahren dabei, aber ein Turnier in einer 7000er-Halle ohne Zuschauer haben Sie auch noch nicht erlebt, oder?

Melanie Gernert: So in dem Umfang nicht. Wir haben das ja schon im Sommer bei der Beach Liga erlebt. Da haben auch unfassbar viele Leute online zugesehen, aber niemand war vor Ort. Aber in so einer Halle ist das noch mal was anderes. Die Jungs haben da eine Art Wohnzimmer aufgebaut, und das ist einer großen Halle – es fühlt sich an wie in einem großen Wohnzimmer. Wenn ich früher in einer Konzerthalle war, war die immer rappelvoll. (lacht)

Was macht das Turnier aus?

Gernert: Es ist das familiäre Flair, weil wir hier bis zu zwei Wochen sind. Und es ist in Corona-Zeiten auch komisch, mal wieder in einer Menschenmenge zu sein. Wir haben gestern zu zehnt zusammengesessen und dabei festgestellt, dass wir so sorgenfrei – weil wir alle regelmäßig getestet werden – lange nicht mehr zusammen waren. Da redet man auch mal über andere Sachen und hat einen ganz anderen Umgang als bei anderen Turnieren. Da konzentriert sich jeder nur auf sein Spiel, zieht schnell wieder ab oder ist nur für ein Wochenende da. Hier ist das anders. Uns wurde von den Organisatoren auch alles möglich gemacht. Wenn wir Sorgen haben, haben wir direkt einen Ansprechpartner.

Auffällig ist, dass es die Sportler selbst auf die Beine gestellt haben. Ist das einfach der Zeitgeist oder hatte sich schon länger angekündigt, dass die Aktiven mehr als sein wollen als nur Sportler?

Gernert: Alex (Organisator Walkenhorst) war ja schon immer ein Revolutionär. Ich finde es gut, weil ich glaube, dass der Beachvolleyball in Deutschland einen Anstoß brauchte. Einen, der auch die Verbandsleute mal anregt, etwas mehr Hirnschmalz in Veränderungen zu investieren. Dass man eben nicht mehr spielt, wie man es 1998 oder 2002 getan hat. Man muss das ganze Konzept der neuen Zeit anpassen, auch den neuen Medien. Ich bin froh, dass es jetzt gekommen ist, weil Wettkampf belebt ja auch das Geschäft.

Auch Sie selbst sind ja neben dem Sport aktiv, schreiben eine eigene Kolumne auf beach-volleyball.de. Wie kam es dazu?

Gernert: Da wurde ich angesprochen. Ich schreibe das auch nicht selbst, aber es sind meine Geschichten, weil ich schon so lange dabei bin und die ein oder andere Anekdote zu erzählen habe. Ich müsste da aber mal wieder etwas Input geben, damit die weitergeführt wird. Selbst aktiv bin ich auch auf Twitch, versuche, den Sport voranzubringen und zu zeigen, was auf Spielerseite passiert. Ich will die Beach- und künftig auch die Hallenvolleyballer den Leuten näherbringen und zeigen, wie die so sind. Man kennt sie oft nur vom Feld oder wie sie sich auf Instagram darbieten, auf meinem Kanal kann man sie mal in Eins-zu-Eins-Gesprächen kennenlernen.

Sie erzählen in ihrer Kolumne auch über kuriose Sachen wie einem Turnier auf Norderney, wo man die Fähre verpasst, wenn man zu lange im Turnier ist. Oder wie wenig Preisgeld es früher gab, dass sich der Sport nicht wirklich gelohnt hat. Ist das heute anders?

Gernert: Das ist immer noch schwierig, wir sind aber auf alle Fälle auf einem guten Weg. Ich schweife mal kurz in die Geschichte ab: Früher gab es zwei Turnierserien, Cup und Master. Wenn man in den Master reingekommen ist, war das recht lukrativ, da hat man ein Hotel gestellt und selbst als Letzter noch vielleicht 200 oder 250 Euro bekommen. Da hatte man zumindest seine Unkosten gedeckt. Vom Leben sind wir aber noch weit entfernt. Selbst wenn man bei den acht Turnieren der deutschen Tour immer gewinnen würde, was bei der Konkurrenz unrealistisch ist, bekommt man jeweils 1200 oder 1500 Euro. Das ist ein gutes Geschäft, aber damit kommt natürlich nicht über das Jahr. Man braucht also Sponsoren, und das ist als Sportler außerhalb des Fußballs schwierig. Die Nationalteams können vom Beachvolleyball leben, die bekommen auch Unterstützung. Aber als Sportler nach den Nationalteams ist das ein nettes Zubrot, aber nichts, wovon man sich eine goldene Nase verdienen könnte. Es wäre natürlich toll, wenn man eine deutsche Turnierserie irgendwie in die Richtung kriegt, dass die Aktiven ihren Lebensunterhalt davon bestreiten und sich ausschließlich auf den Sport konzentrieren können. Dann würde die Qualität der Turniere auch noch mal enorm zunehmen.

Wo Sie die Turnierserie ansprechen: Jetzt weiß ich natürlich nicht, ob Sie den Satz in Ihrer Kolumne so genau gesagt haben, aber er ist zu schön, um hier nicht zitiert zu werden: „Dieses ‚wer mit wem oder warum auch nicht mehr‘ oder das ‚wer war zu betrunken, um eigentlich spielen zu können‘ – all das gehört zur deutschen Beach-Volleyball-Tour dazu.“ Ist das deutsche Beachvolleyball eine ewige Klassenfahrt?

Gernert (lacht): Früher war es das, mittlerweile hat sich das schon sehr stark professionalisiert, aber es gibt immer noch solche Geschichten. Welche Sportart sagt, bei uns gibt es so etwas nicht, die lügt.

Kommen wir zu Ihnen persönlich: Sie spielen nun in Düsseldorf für die Tusa 06. Was war der Grund für den Wechsel?

Gernert: Düsseldorf hatte mich angesprochen – auch in dem Zusammenhang, dass ich letztes Jahr ja mit Kira Walkenhorst spielen wollte, was ja dann leider nicht geklappt hat. Die Sportstadt streckt Ihre Fühler aus, will die besten Beachvolleyballer und vor allem die besten Nachwuchsathleten unter ihrem Dach vereinen. Als sie uns angesprochen haben, haben wir uns das angeguckt und gesehen, was dahintersteckt, wie tatkräftig hier Athleten unterstützt werden. Und dann wäre man ja – mit Verlaub gesagt – blöd, wenn man das nicht annimmt. Dann versucht man natürlich, mit seiner Präsenz auch den Verein zu unterstützen.

Und jetzt das Turnier in Ihrer neuen Heimat. Was kann man von Ihnen noch erwarten?

Gernert: Puh, wir sind gut gestartet, haben nach drei Spielen noch eine weiße Weste, aber die Gegner werden nicht leichter. Ich muss ja gestehen: Weil ich weder Bundes- noch Landeskaderathletin bin, konnte ich in den vergangenen Monaten leider nichts machen. Ich lebe ja noch in Berlin, und da ist die Regel, dass man seinem Sport nur nachgehen darf, wenn man damit mindestens 50 Prozent seines Lebensunterhalts verdient. Ich arbeite nebenher in Teilzeit und verdiene dort Gott sei Dank mehr als nur die Hälfte. Also war ich zweieinhalb Monate nicht richtig am Ball. Also bin ich sehr zufrieden, dass der Turnierstart so gut gelaufen ist, aber ich lasse mich in der ersten Woche von Spiel zu Spiel überraschen. Aber das Ziel von Sarah (Schulz) und mir ist es in jedem Fall, die Play-offs zu erreichen.

Selbst wenn Sie es nicht gewinnen sollten, was würden Sie von dem Turnier mitnehmen?

Gernert: Ich finde es super, dass eine richtige Serie entstehen soll. Alex hat ja schon bekanntgegeben, dass hier etwas entstehen soll. Für uns ist jetzt eine gute Trainingsmöglichkeit und ein Wettkampf – und es ist alles ungezwungen. Nicht, dass man weniger ehrgeizig ist als bei einem Verbandsturnier, aber es ist ein anderes Gefühl.

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