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Neuer Trainer und großer Umbruch?

„Roundtable“ zur Situation bei der Fortuna

Foto: Christof Wolff

Das ausgerufene Ziel, die Rückkehr in die Fußball-Bundesliga, wurde verpasst. Zudem beendete der Zweitligist die Zusammenarbeit mit Trainer Uwe Rösler. Nun übernimmt mit Christian Preußer, der von der zweiten Mannschaft des SC Freiburg kommt, ein im Profibereich bislang Unbekannter das Kommando an der Seitenlinie. Jan Wochner (JW), Norbert Krings (NK) und Tobias Kemberg (TK) diskutieren am „runden Tisch“ aber nicht nur die Trainerentscheidung, sondern sprechen auch über notwendige Veränderungen im Kader.

JW: Ich bin ehrlich. Als ich vom neuen Fortuna-Trainer erstmals gehört habe, war meine Reaktion: Christian Wer? Je mehr ich aber über ihn lese und erfahre, umso mutiger und spannender finde ich die Entscheidung. Mir gefällt sein Profil.

NK: Das ist ja alles gut und schön, künftig mit einem unverbrauchten Trainer zusammenzuarbeiten. Doch Fortuna geht ein großes Risiko ein. Vor allem dann, wenn der Neue eine lange Einarbeitungszeit benötigen würde. Es haben viele Trainer in unteren Klassen Erfolg gehabt. Doch da sind kein Druck, kein großes, schnell unzufriedenes Umfeld und keine Medien, in deren Haifischbecken das Trainer-Talent Hals über Kopf stürzen wird, beziehungsweise gestoßen wird.

TK: Unbekannter Trainer und deswegen weniger Druck für ihn und Verein? Von großen oder zumindest bekannteren Namen erwartest du vom Start weg gleich wieder eine Menge. Für mich sieht das auf den ersten Blick ein bisschen so aus, als würde die Fortuna auch einem gewissen Trend folgen. Junge Trainer à la Nagelsmann sind ja „en vogue“ im Fußballgeschäft. Aber ich finde die Entscheidung für Christian Preußer grundsätzlich gut. Wie Jan sagt, das ist spannend und mutig. Im Profibereich ist er (relativ) „unbelastet“. Andere Trainer würden zweifellos schnell an ihren bisherigen Erfolgen oder vielleicht auch jüngsten Misserfolgen gemessen. Hier kann niemand sagen: „Oh je, nicht der XY. Der hat ja letzte Saison schon da nichts gerissen.“ Trotzdem ist es in meinen Augen auch eine kostengünstige Lösung, Fortuna will und/oder muss sparen.

Jan Wochner

JW: Vor allem kann diese Mannschaft einen frischen, unverbrauchten Angang gut gebrauchen. Das hat die vergangene Saison doch gezeigt. Ich sehe die von Norbert angesprochenen Gefahren. Aber ich finde, die Chancen sind attraktiv genug, es mit ihm zu versuchen. Und die Beendigung der Zusammenarbeit mit Uwe Rösler war aus meiner Sicht konsequent und richtig. Es ist Zeit für frisches Blut.

TK: Da stimme ich zu. Uwe Rösler mag ja ein sympathischer Charakter sein, der auch seine Qualitäten als Trainer hat. Aber nach verpasstem Klassenerhalt in der Bundesliga und dem Verpassen des ausgerufenen Saisonziels in der 2. Liga ist die Beendigung der Zusammenarbeit der einzig logische Schritt. Letztlich ist es bei Fortuna aber doch so: Es ist in den vergangenen 30 Jahren noch nie ein Trainer gekommen und alle haben gesagt: Yeah, das ist der Richtige. Wäre denn ein prominenter Name wie Miroslav Klose oder ein gestandener Trainer wie beispielsweise Uwe Neuhaus aus eurer Sicht keine gute Lösung für die Nachfolge gewesen?

JW: Schon. Klose wäre extrem reizvoll gewesen. Vermutlich aber auch deutlich kostenintensiver als Preußer. Und da sprechen wir über Geld, das dann nicht in neue Spieler investiert werden könnte. Was muss sich denn eurer Meinung nach bei der Zusammenstellung des Kaders ändern?

NK: Den großen Umbruch wird es nicht geben. So sagte es auch Uwe Rösler, der nur Bedarf für punktuelle Verstärkungen sieht. In jedem Bereich muss aber etwas getan werden. Das fängt auf der Torhüterposition an. Frische, junge Spieler mit deutlich sichtbarem Potenzial, aber auch einer gewissen Zweitliga-Erfahrung sind nötig. Ganz wichtig: Neben Shinta Appelkamp muss ein weiterer Spieler als Regisseur verpflichtet werden. Und ein sehr schneller Innenstürmer. Diesmal muss es heißen: Qualität statt Quantität.

TK: Mit der Qualität ist es nur bekanntlich nicht immer so leicht. Fortuna achtet traditionell sehr auf die Kohle und die 2. Bundesliga beheimatet in der Saison 2021/22 noch mehr Teams, die finanziell mehr Möglichkeiten haben dürften. Da musst du schon sehr gute Transfers landen. Die würden dann auch dem Standing von Sportvorstand Uwe Klein helfen, der zuletzt ja viel Kritik abbekommen hat.

JW: Ich sehe es auch so, dass ein neuer Torwart sinnvoll wäre. Obwohl Florian Kastenmeier als Persönlichkeit stark ist. Leider ist die Zahl seiner Patzer ein wenig zu hoch. In der Innenverteidigung wird nach den Abgängen von Kevin Danso und Luka Krajnc bestimmt nachgelegt. Letztlich muss die Fortuna aber die gesamte zentrale Achse auffrischen. Torwart, Innenverteidigung, zentrales Mittelfeld und nach dem Abgang von Kenan Karaman auch die zentrale Stürmerposition. Das kommt dann schon einer Generalüberholung gleich.

Norbert Krings

NK: Nein, das sehe ich nicht so, wenn auf diesen Positionen qualitativ gute Leute geholt werden, die nahezu garantieren können, die Mannschaft weiterzubringen. In den meisten Zweitliga-Teams stehen junge, talentierte Innenverteidiger mit Technik und Tempo sowie schnelle Stürmer, die natürlich noch lernen und Erfahrungen sammeln müssen. Also fünf bis sechs neue, gute Leute würden reichen. Nur auf Perspektivspieler zu setzen, reicht definitiv nicht.

TK: Aktuell stehen 20 Profis für die neue Saison unter Vertrag. Der neue Trainer wird sicherlich keinen Kader mit 30 Spielern haben wollen. Andererseits kann ich mir vorstellen, dass der eine oder andere bestehende Vertrag auch noch aufgelöst wird. Die Achse muss definitiv erneuert beziehungsweise verändert werden. Aber deshalb sehe ich tatsächlich auch keine Generalüberholung.

JW: Ganz unabhängig davon, ob es jetzt eine Generalüberholung oder nur leichte Kaderkorrekturen werden. Ich bin überzeugt, dass Fortuna mit aller Macht gen Aufstieg drängen muss. Trotz HSV, Bremen, Schalke und den vielen anderen starken Klubs in der Liga. Sonst ergeht es dir wie Bochum und du bist plötzlich über ein Jahrzehnt lang ein Zweitligist. Und Bochum hat jetzt zwar die Kurve bekommen, andere Traditionsvereine sind mit der Zeit dann in der Versenkung verschwunden. . .

NK: Ja, vielleicht sollte man jetzt die nötige Aufbauarbeit in Bremen und Gelsenkirchen nutzen, ein wenig mehr ins Risiko gehen und den einen oder anderen Kracher verpflichten. Diesmal sollte die Fortuna mit einem halbwegs eingespielten Kader zu Saisonbeginn in die Offensive gehen und ein paar Punkte vorlegen, um der Konkurrenz direkt ein bisschen Respekt einzujagen.

Tobi Kemberg

TK: Der Aufstieg muss das Ziel sein. Ganz egal, wie schwierig das angesichts vieler namhafter Klubs in der 2. Liga sein mag. Mit Kiel oder Fürth unter den Top-Drei hat doch vor neun Monaten keiner gerechnet, oder? Und wenn du tatsächlich halbwegs eingespielt in die Saison gehst, dann kann das durchaus die Blaupause sein. Von Vorteil ist möglicherweise, dass sich das Interesse außerhalb Düsseldorfs sehr stark auf Bremen, Schalke und mal wieder den HSV zentrieren wird. Ein wie von Norbert guter Start wäre jedoch auch aus einem anderen Grund von Wichtigkeit: Bist du von Beginn an oben dabei, ruft das nicht gleich wieder die notorischen Nörgler auf den Plan. In Düsseldorf fehlt vielen im Umfeld die Geduld. Dann wird schnell der neue Trainer angezählt, die Neuen im Kader als Fehleinkäufe abgestempelt und folgerichtig rückt die sportliche Führung in den Fokus der Kritiker. Hast du Erfolg, hast du Ruhe. Und wenn Ruhe da ist, dann lässt sich etwas aufbauen. Denn wenn es wirklich gelingt, in die Bundesliga zurückzukehren, dann willst du dich dort endlich mal wieder etablieren. Das ist ja das erklärte Ziel von Vorstandsmitglied Klaus Allofs.

NK: Genauso ist es. So wird es in der kommenden Saison hoffentlich ein wenig leichter, weil der Druck durch die prominente Konkurrenz nicht unbedingt größer wird. Überhaupt sollte die Saison wieder mehr Spaß bringen. Fortuna darf sich wieder auf die große Unterstützung durch die Fans freuen, was wieder so viel Leidenschaft wie in früheren Zeiten freisetzen wird.

JW: Ja, wobei mein Eindruck ist, dass genau diese Unterstützung – oder besser ausgedrückt das Interesse – in der vergangenen Saison extrem gelitten hat. So etwas wie Begeisterung für diese Mannschaft habe ich zu keinem Zeitpunkt in der Saison wahrgenommen. Ihr?

TK: Ebenso wenig. Das lässt sich angesichts der ständigen Geisterspiele verständlicherweise nicht konkret bemessen, aber ich sehe das auch so. Die große Identifikation war nicht zu verspüren. Auch da muss der Klub wieder für sorgen – mir scheint, die Aufgabenliste der Fortuna ist trotz geklärter Trainerfrage durchaus noch lang. . .

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